„Theatererklärer“, „letzter Expressionist“ und vieles mehr: Zum Tod des Fleißer-Herausgebers Günther Rühle (1924-2021)

Am Freitag, den 10. Dezember 2021, verstarb der Theaterkritiker und ehemalige Intendant des Frankfurter Schauspiels Günther Rühle im Alter von 97 Jahren.

„Er war eine Instanz“, schreibt Christine Dössel in ihrem Nachruf in der Süddeutschen Zeitung. Dies gilt fraglos auch in Sachen Fleißer. Rühle editierte für den Suhrkamp-Verlag Fleißers Gesammelte Werke und besorgte unter anderem auch den Band Materialien zum Leben und Schreiben der Marieluise Fleißer, der nach wie vor, seit seinem Erscheinen 1973, für jeden, der sich mit Fleißers Werk beschäftigt, unerlässlich ist.

Für die FAZ war Rühle seit 1960 als Theaterkritiker, später, bis 1985, leitete er dort das Feuilleton. Hier erinnert in der Ausgabe vom 11. Dezember 2021 Gerhard R. Koch, der lange und intensiv mit Rühle zu tun hatte, an den für ihn „letzten Expressionisten“.

In der gleichen Ausgabe ist übrigens unter dem Titel Wie ein Tropfen, der durch den Himmel fällt Ines Geipels Fleißerpreis-Rede abgedruckt.

Fleißers Ingolstadt in Salzburg: Fleißer-Bearbeitung im Programm der Festspiele 2022

Im kommenden Jahr wird sich Ivo van Hove, einer der gefragtesten Regisseure des europäischen Theaters, Fleißers dramatischer Werke annehmen. Im Rahmen des Programms der Salzburger Festspiele 2022, in einer Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater, inszeniert er unter dem Titel Ingolstadt eine Art Synthese und Panoptikum der beiden bekanntesten Fleißer-Dramen. „Nach dem Schauspiel Fegefeuer in Ingolstadt sowie der Komödie Pioniere in Ingolstadt, in einer Bearbeitung von Koen Tachelet“ lautet die Beschreibung im Programm.

Man darf also doppelt gespannt sein auf Fegefeuer und Pioniere in Salzburg! Insgesamt sind acht Vorstellungen zwischen dem 27. Juli und dem 7. August 2022 geplant. Der Kartenverkauf hat bereits begonnen.

Annette Lucks: „von marie zu luise. eine collage“ – Eindrücke von der 2. Sonderausstellung im Marieluise-Fleißer Haus (19.10.21 – 30.1.22)

von Andreas Betz

Annette Lucks (geb. 1952 in Regensburg) beschäftigt sich seit vielen Jahren künstlerisch mit dem Werk von Marieluise Fleißer, und sie hat sehr gezielt und konzentriert auf die Ausstellung zum 120. Geburtstag hingearbeitet, die seit Ende Oktober im 2. Obergeschoss des neuen Fleißerhauses in der Kupferstraße zu sehen ist.

von marie zu luise. eine collage“ lautet der Titel der Sonderausstellung. Dazu ist auch ein sehr gelungener Katalog erschienen, mit durchaus lesenswerten weiterführenden Beiträgen zum Werk der Malerin, den man an der Kasse für 10 € erwerben kann.

Es geht bei Annette Lucks um einen völlig anderen künstlerischen Zugang zu den Texten und zur Person der Fleißer, als wir das bei Knut Schnurer sehen.

Annette Lucks tritt in einen fiktiven, imaginären Dialog ein mit der Fleißer, mit Aspekten aus ihrem Leben oder Themen aus den Texten, und dabei verwendet sie die unterschiedlichsten Techniken sowie ganz eigene formale und kompositorische Gestaltungselemente, die den Betrachter herausfordern, in ihm eigene Bilder und Assoziationen hervorrufen (sollen), eine eigene kreative Begegnung initiieren wollen.

Und dazu wird der Zuschauer – im Idealfall – wohl auch wieder ein Leser, der Fleißers Texte von neuem und vielleicht auch ganz neu liest.

Diese zweite Sonderausstellung seit der Neueröffnung des Fleißerhauses im Oktober 2020 sollte man sich also auf keinen Fall entgehen lassen, und vielleicht ist der Katalog ja ein gelungenes Weihnachtsgeschenk für Fleißer- und Kunstinteressierte, nicht nur aus Ingolstadt.

INSTALLATION und Hochzeitsteller im Veranstaltungsraum
INSTALLATION von marie zu luise. Arbeiten auf Papier und Keramik, 2021
OHNE TITEL. VIELLEICHT EINE DICHTERIN, 2020

Der Donaukurier und die Süddeutsche Zeitung berichteten bereits über die Ausstellung. Besonders aufschlussreich ist auch der Podcast zur Ausstellung vom Kulturkanal Ingolstadt.

Verleihung des Marieluise-Fleißer-Preises 2021 an Ines Geipel

Bereits Anfang August stand es fest: Die Autorin und Publizistin Ines Geipel erhält den Fleißer-Preis 2021. Die Preisverleihung fand – dies hat Tradition – Ende November, um den Fleißer-Geburtstag herum, dieses Jahr konkret am 21. November im Stadttheater Ingolstadt statt.

Zum Festakt berichtete bereits ausführlicher der Donaukurier. Die Laudatio des Literaturkritikers Hauke Hückstädt (*1969), Leiter des Literaturhauses Frankfurt a. M., sowie die Dankesrede der Autorin – ein fiktiver Brief an die „liebe Marieluise“ – werden voraussichtlich ins nächste Heft der Schriftenreihe der Marieluise-Fleißer-Gesellschaft aufgenommen.

Geipels Werke erscheinen bei Klett-Cotta. Im Donaukurier findet man auch ein interessantes Interview mit Ines Geipel im Vorfeld der Preisverleihung. Ausführlicher berichtet auch der Kulturkanal Ingolstadt über die Preisverleihung (Podcast).

Unter dem Titel Wie ein Tropfen, der vom Himmel fällt wurde die Preisrede in der FAZ vom 12.12.21 veröffentlicht.

„… von ganzem Herzen alles Gute!“

23. November 2021: Mit einem Blumenstrauß von Knut Schnurer gratulieren wir Marieluise Fleißer zu ihrem 120. Geburtstag!

Im Herbst 2022 plant das Fleißer-Haus eine Fleißer-Schnurer-Ausstellung, unter anderem mit Schnurers Tuschezeichnungen zu Pioniere in Ingolstadt.

Schnurer hat offensichtlich über Jahre hinweg Glückwünsche auf Karte oder im Brief mit Zeichnungen versehen, einige davon haben sich erhalten und sind im Fleißerarchiv aufbewahrt.

Diesen Geburtstagsgruß erhielt Marieluise 1973 Fleißer gut zwei Monate vor ihrem Tod. Sie hat ihn auch noch per Brief beantwortet.

Schnurer-Zeichnungen zu Fleißers „Pionieren“ endlich komplett in Ingolstadt

Claire Krutzenbichler, die Tochter von Knut Schnurer, und ihr Ehemann Franz haben die restlichen 14 Tuschezeichnungen, die der Ingolstädter Künstler 1968 im Auftrag des Donaukuriers unter Dr. Wilhelm Reissmüller angefertigt hat, an das Stadtarchiv Ingolstadt übergeben. 

Bisher waren nur diejenigen Illustrationen zu Fleißers Drama Pioniere in Ingolstadt bekannt, die zum 100. Geburtstag der Fleißer im Jahre 2001 in der Kupferstraße 18 zu sehen waren.
Knut Schnurer (1920-2007) hat aber zu den Szenen des Dramas mehrere Varianten eines Themas ausgeführt, die nun vollständig in Ingolstadt vorhanden sind. Es geht um insgesamt ca. 30 Tuschezeichnungen, von denen das Stadtarchiv im letzten Jahr bereits drei ankaufen konnte. 

Der Ankauf kam auf Anregung und Vermittlung der Marieluise-Fleißer-Gesellschaft zustande,
die zusammen mit dem Fleißerarchiv für den Herbst 2022 eine Fleißer-Schnurer-Ausstellung plant.

Foto Stadtmuseum / Rössle

Gelungener Fleißer-Abend mit Anna Janina Remsperger und Jascha Naklidal

Anlässlich des 120. Geburtstags von Marieluise Fleißer fand am 1.10.2021 im Veranstaltungsraum der Marieluise-Fleißer-Bücherei ein ganz besonderer Fleißer-Abend statt. Mit Anna Janina Remsperger und ihrem Piano-Partner Jascha Naklidal wurde der Ingolstädter Autorin eine ganz „heutige“ Stimme gegeben.
Neben einer Lesung von Auszügen aus der Theater-Erzählung Der Venusberg und dazu komponierten Chansons präsentierten die beiden auch ihr aktuelles Stück Ich & Du nach dem Hesse-Roman Narziß und Goldmund, das kürzlich mit dem Hermann-Hesse-Preis der Udo-Lindenberg-Stiftung ausgezeichnet wurde.

Eindrücke von der Vernissage zur ALG-Wanderaustellung „Was bleibet aber … Literatur im Land“ am 26. September 2021

Dass unser Literaturkanon überwiegend männlich geprägt ist, liegt nicht primär daran, dass es früher eben noch nicht so viele Schriftstellerinnen gab. Die gab es nämlich immer schon sehr wohl …

Frau Dr. Katharina Herrmann legte in ihrem erhellenden Vortrag zur Ausstellungseröffnung die tieferliegenden, primär sozialgeschichtlichen sowie akademisch-fachgeschichtlichen Gründe frei, die dazu führten, dass Frauen oder auch etwa jüdische Autor:innen bis heute vergleichsweise marginal in den deutschsprachigen Literaturkanon eingegangen sind. Deutschland ist fraglos auch ein Land der Dichterinnen und Denkerinnen. Es braucht immer, aber hier ganz besonders Arbeit am kulturellen Gedächtnis. 

Ausführlicher zur Ausstellungseröffnung und auch zum Fleißer-Abend am 1. Oktober 2021 mit Anna Janina Remsperger berichtete der Kulturkanal Ingolstadt

Zum Weiterlesen: Der Essay „Frauen lesen? ohne Digitalisierung“ der Referentin auf ihrem Blog „Kulturgeschwätz“

Fleißers 120. Geburtstag: Ausstellung „Was bleibet aber … LITERATUR IM LAND“ und Fleißer-Abend

Die Fleißer-Gesellschaft und die Stadtbücherei Ingolstadt laden anlässlich des 120. Geburtstags von Marieluise Fleißer ein zu einer Wanderausstellung der Arbeitsgemeinschaft der Literarischen Gesellschaften und Gedenkstätten e. V. (ALG).

Von 27. September bis Mittwoch 13. Oktober 2021 kann die Ausstellung im Herzogskasten (1. und 2. Etage) zu den üblichen Öffnungszeiten besucht werden. Die Ausstellung umfasst einen allgemeinen (alle Bundesländer) und einen regionalen Teil (Bayern). Natürlich widmet sie sich auch der Ingolstädter Autorin Marieluise Fleißer. Genauere Infos zur Ausstellung und den Besuchs-Modalitäten finden Sie auf den Seiten der Stadtbücherei Ingolstadt.

Die Mitglieder der Fleißer-Gesellschaft sind zusätzlich zu zwei weiteren Veranstaltungen eingeladen. Eine persönliche Einladung wurde bereits versandt.

Sonntag, 26. September 2021, 11.00 Uhr: Vernissage und Eröffnung der Ausstellung. Mit einer kurzen Einführung und einem Vortrag von Frau Dr. Katharina Herrmann, Mitglied der der Fleißer-Gesellschaft, zum Thema „Dichterinnen & Denkerinnen. Frauen, die trotzdem geschrieben haben“. Auf ihre gleichnamige Publikation, die sich u.a. auch mit Marieluise Fleißer befasst, wurde hier bereits hingewiesen.

Freitag, 1. Oktober 2021, 19.00 Uhr: Fleißer-Abend mit Anna Janina Remsperger, die Texte aus der Fleißer-Erzählung Der Venusberg mit eigenen Chansons und Piano-Begleitung. Ebenfalls im Herzogskasten. Auch hier kann anschließend die Ausstellung besucht werden. Kostenlose Restkarten sind an der Abendkasse erhältlich.

Wegen der aktuellen Hygienevorschriften ist für beide Veranstaltungen eine vorherige Anmeldung notwendig.

Der Fleißerpreis 2021 geht an Ines Geipel

Der 17. Fleißerpreis wird an die Autorin, Publizistin Professorin und ehemalige Spitzensportlerin Ines Geipel verliehen. 
Geipel wurde 1960 in Dresden geboren und gehörte in den 1980er Jahren zum Leichtathletik-Leistungskader der DDR. Sie studierte Germanistik in Jena, nach ihrer Flucht 1989 in die BRD Philosophie und Soziologie in Darmstadt. Seit 2001 lehrt sie an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. 
Ihre Erfahrungen in der DDR sind ein zentrales Thema ihrer literarischen Werke, als Publizistin und Herausgeberin setzte sie sich insbesondere für in der DDR verfehmte AutorInnen ein. Besonders stark engagierte sich Geipel – nicht zuletzt als persönlich Betroffene – für Oper des DDR-Zwangsdopings. 
Ihr jüngstes Werk Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass erschien 2019 bei Klett-Cotta.
Die Preisübergabe findet voraussichtlich am 21. November 2021 im Stadttheater Ingolstadt statt. Ausführlicher zur Autorin und zur Preisverleihung informierte bereits der Donaukurier.